#rp15 Keine Angst vor Veränderung: Wer vernetzt ist, wird aufgefangen

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Der Körper lebt im Zeitalter der Digitalisierung, der Geist ist noch im Industrie-Zeitalter verhaftet – auf diese kurze Formel bringt der Wirtschafts-Publizist Gunnar Sohn aus Bonn die Herausforderungen an die persönliche Resilienz des Einzelnen. Gunnar Sohn zieht die historische Parallele zur Weimarer Republik: “Ende der 20er Jahre war es in Vielem ähnlich. Mental waren die Leute noch in der Agrargesellschaft beheimatet, dabei war die Industrialisierung in vollem Gange.” Deutschland sei schon seit etwa 1980 keine Industriegesellschaft mehr, sondern seither in der Transformation zur vernetzten Ökonomie.

Dass die Krisen der 20er Jahre in den katastrophalen Zweiten Weltkrieg mündeten, ist bekannt. Doch was lernen wir aus der Geschichte, damit das nicht erneut einen solchen Kulminationspunkt findet?

Noch regiert “das alte Denken” – Gunnar Sohn findet es übrigens auch bei den jüngeren Leuten: “Branchendenke, Schutzgesetze, Abwehrmechanismen, Kontrolle, verkrustete Politik und Lobbyismus, Klagen über die Globalisierung und den Wegfall von Arbeitsplätzen, vieles mehr.” Die gegenwärtigen Probleme, vor denen die Gesellschaften in der westlichen Welt stehen, seien damit nicht zu bewältigen.

Stattdessen brauche es neue Lösungsstrategien, überhaupt lösungsorientiertes Denken und den Willen, zu experimentieren und unvoreingenommen Neues zu wagen. “Die Zeiten von Massenproduktion und Skalierung sind definitiv vorbei. Mit Vernetzung erreichen wir viel mehr. In der Zugangsökonomie kann es auch der Einzelne schaffen. Wer das nicht klar hat, wird die Digitalisierung für sich nicht nutzen können oder deren Instrumente sogar falsch einsetzen.” Den Umgang mit Stress und Belastung zu lernen, sei daher eine der wichtigsten Kompetenzen.

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Das Zeitalter der Persönlichkeiten breche an, daher sei die persönliche Entwicklung wichtig. Dabei komme es allerdings darauf an, dass Menschen sich stimmig, bescheiden und kooperativ verhalten – auch und gerade im Internet. “Leute, die nach Likes schreien, sind ganz schnell untendurch. Soziale Beziehungen funktionieren im Netz nicht so gravierend anders, als in der realen Welt.” Menschen, die ihre persönlichen Interessen, Leidenschaften und Fähigkeiten zeigten, könnten auch viel schneller bei anderen andocken und sich vernetzen.

Wichtig sei deshalb, sich spätestens jetzt zu verändern. “Was trainiert und erfahren wurde, ist nicht mehr so wichtig, weil dieses Wissen sowieso morgen schon überholt ist. Wir brauchen neue soziale Kompetenzen und dazu zähle ich auch die Resilienz. Wir dürfen nicht mehr mit den alten Reflexen auf neue Herausforderungen reagieren, sondern müssen den neuen Möglichkeitsraum nutzen, der entsteht.”

Sinnvoller als den Verlust der alten Welt zu beklagen, sei “offen, unvoreingenommen und zuversichtlich Neues einfach zu machen.” Für Freiberufler brächen daher paradiesische Zeiten an. Festanstellungen, scheinbar gesicherte Positionen und Funktionen seien eine Illusion. Wichtiger sei, was der Einzelne selbst beizutragen habe und welche “Marke” er verkörpere. “Aber viele haben noch zuviel Angst – Angst vor dem Scheitern, vor Fehlern, vor einer möglichen Blamage. Ich sage, springt einfach und macht Euer Ding.” Es sei wichtig, auf die Unterstützung durch andere zu vertrauen und den Kontrollverlust zuzulassen, völlig neue Kontakte zu knüpfen und die Dinge sich entwickeln zu lassen. “Ich selbst habe nie Häme geerntet, sondern für Alles Unterstützung bekommen, auch moralische. Es ist nicht schlimm, wenn Sachen schief gehen – dann macht man eben etwas anderes. Wer vernetzt ist, wird auch aufgefangen.”

Petra-Alexandra Buhl

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