Zehn klassische Fallen im Einstellungsgespräch: So vertreiben Sie gute Bewerber garantiert

IMG_2317Wenn Sie diese zehn Fallen vermeiden, stehen die Chancen gut, dass Sie ein professionelles Bewerber-Gespräch führen. Sie wollen doch einen guten Eindruck bei potenziellen Mitarbeitern hinterlassen -oder? So bitte nicht:

1. Falle: Wunschdenken und Sympathie beherrschen Sie

Unternehmer und Personaler lassen sich von subjektiven Bewertungen und Idealvorstellungen von Bewerbern leiten. Schlimmstenfalls gilt die Gleichung Sympathie = Kompetenz, Antipathie = Inkompetenz. Dabei sind es oft die Unbequemen, die den Mehrwert für Ihr Unternehmen bringen.

IMG_23092. Falle: Sie reden Ins Blaue hinein

Ohne festgelegte Zeitvorgaben verlaufen Bewerbergespräche extrem unterschiedlich. Sie dauern mal 20 Minuten, mal drei Stunden. Das glauben Sie nicht? Stellen Sie sich vor, der Unternehmenschef trifft auf einen Bewerber, der für den gleichen Fußballclub schwärmt. Da sich der Club gerade in einer Krise befindet, muss das ausführlichst ausgewertet werden, während die Personalerin die Augen rollt…

Das andere Extrem sind zu kurze Gespräche: 40% aller Bewerber gehen schon nach einer halben Stunde wieder. Wie wollen Sie da jemanden kennenlernen? Wie lange dauert bei Ihnen das erste Date? 😉

3. Falle: Sie bereiten sich nicht vor

Etwa die Hälfte aller Menschen, die Einstellungsgespräche führt, bereitet sich nur 20 bis 30 Minuten auf einen Kandidaten vor. Ideal wären 30 Minuten Vorbereitung und 30 Minuten Nachbereitung. „Dafür habe ich keine Zeit“, lautet häufig der Einwand. Wie ernst nehmen Sie es, Fachkräfte zu rekrutieren?

4. Falle: Sie verwenden kein Anforderungsprofil

Viel zu selten werden Anforderungsprofile verwendet. Falls doch, werden sie fast nie mit der Fachabteilung erarbeitet. Dabei soll der Bewerber genau dort gut arbeiten.

Maximal 40% der deutschen Unternehmen ermitteln spezifische Berufsfertigkeiten. Wie wollen Sie feststellen, ob jemand zu Ihrem Unternehmen passt? Wie stellen Sie sicher, dass jemand die Fertigkeiten hat, die auf genau dieser Position nötig sind?

Ein Anforderungsprofil muss Aussagen zu wenigstens drei Bereichen enthalten:

  • Ausbildung/ Erfahrung: Schule, Studium, bisherige Tätigkeit etc.
  • Spezialkenntnisse/ Fachwissen: Branchen-/Marktkenntnisse, IT-Wissen etc.
  • Fähigkeiten/ Persönlichkeitsmerkmale: rhetorische Fähigkeiten, Kontaktfähigkeit etc.

Wenn Sie ein Anforderungsprofil erstellen, machen Sie das bitte immer mit der Fachabteilung. Mit folgenden Fragen können Sie das vorbereiten:

  • Was ist das Besondere an dieser Stelle?
  • Was genau bestimmt, ob jemand in dieser Position erfolgreich ist?
  • Was sind konkrete, wichtige Situationen, um Erfolg und Misserfolg zu entscheiden?
  • Welches Verhalten ist auf dieser Position/ bei uns Basis für Erfolg?
  • Welche Fähigkeiten braucht eine Person an dieser Stelle?
  • Wie muss jemand sein, damit er in fünf Jahren bei uns Führung übernehmen kann?
  • Wie muss jemand sein, wenn er unsere Werte, Ziele, Visionen unterstützen soll? 5. Falle: Sie hören sich am liebsten selbst reden

Die Interviewer reden viel zu lange. Sie reden außerdem zu viel über sich selbst und das Unternehmen. Jeder vierte Personaler redet dreimal so lange wie der Bewerber. „Der hat bloß über sich selbst geredet“, erzählt der Bewerber hinterher in der Familie und im Bekanntenkreis. Wollen Sie das?

IMG_23076. Falle: Sie haben eine mangelhafte Fragetechnik

Obwohl praktisch jeder, der Menschen einstellen will, an Kommunikationstrainings teilgenommen hat, sind sie nicht auszurotten: Schlechte, ungünstige oder sogar kontraproduktive Fragen.

Geschlossene Fragen (können nur mit Ja oder Nein beantwortet werden)

„Sind Sie teamfähig?“

„Haben Sie X schon einmal gemacht?“

„Möchten Sie Führungskraft werden?“

„Sind Sie Gewerkschaftsmitglied?“ (Übrigens eine „verbotene“ Frage.)

Suggestivfragen (Unterstellungen)

„Sie arbeiten doch lieber im Team wie alle anderen auch?“

„Wie ist es denn dazu gekommen, dass Sie im Examen so schlecht abgeschnitten haben?“ (Bei einer Note 2, die ist nicht schlecht, aber die Bewerber werden so gezwungen, sich zu rechtfertigen.)

„Wir sind uns doch einig, dass Führungskräfte ihre Familie zurückstellen müssen, oder?“

„Sie sind doch auch der Meinung, dass Gewerkschaften unnötig sind?“

7. Falle: Alleinherrschaft

Die Interviews mit Bewerbern werden von nur einer Person geführt. Verlassen Sie sich nicht auf Ihr eigenes Urteil und auf Ihr Bauch-Gefühl. Künftige Mitarbeiter müssen nicht nur zu Ihnen, sondern auch ins Team passen.

8. Falle: Das Unternehmen, nicht der Bewerber ist wichtig

Die herkömmlichen Gesprächs-Leitfäden verleiten Personaler leider zum Schwafeln. Nach dem Small Talk zum Gesprächseinstieg wird das Unternehmen und die zu besetzende Position vorgestellt. Sehr lange. Meist ist die Hälfte der Gesprächszeit dann schon um.

Danach wird der berufliche und persönliche Werdegang des Bewerbers abgefragt, obwohl das Alles schon aus den Unterlagen ersichtlich ist. Hier wird gerne damit argumentiert „Ich möchte wissen, ob jemand zu seinem Lebenslauf steht.“ Entschuldigung – finden Sie das nicht albern? Die Fakten von gestern sind für Sie nur wenig nützlich.

Viel spannender ist doch, über die Herausforderungen von morgen zu kommunizieren und an die Resilienz Ihres Gegenübers heranzukommen bzw. mehr darüber zu erfahren, was jemanden tatsächlich bewegt. Ein offenes Gespräch verschafft Ihnen eher einen Eindruck davon, wie sie oder er sich in einer komplexen, unsicheren und mehrdeutigen Welt verhält.

9. Falle: Schön, dass wir darüber geredet haben

Es gibt gar keinen Interviewleitfaden und auch keine Dokumentation des Gespräches. Erstaunlicherweise machen nur 25% der Interviewer Notizen im Gespräch.

Nach spätestens drei Bewerbergesprächen oder schon am nächsten Tag wissen Sie nicht mehr, wer was gesagt hat: War das Maier mit den Zwillingen, der keine Überstunden machen kann? Oder eher Schmidt, die Alleinerziehende? Oder war das bei einer ganz anderen Stelle und spielt hier gar keine Rolle?

10. Falle: Manipulative Kommunikation

IMG_2315Killerphrasen, Unterstellungen, Behauptungen, Manipulationstechniken, fiese Tricks – angeblich, um die Bewerber so richtig aus der Reserve zu locken und zu schauen, wie sie sich unter Stress verhalten.

„Das ist doch Unsinn.“

„Das läuft so nicht bei uns.“

„Unseren Kunden ist das nicht vermittelbar.“

Haben Sie das wirklich nötig?

Verzichten Sie bitte auf Manipulationstechniken aller Art. Es gibt keinen schnelleren und gründlicheren Weg, Ihre Arbeitgebermarke zu ruinieren.

Organisationskultur: Wie sieht es bei Ihnen aus?

Sie sollten sich übrigens Zeit nehmen und intensiv darüber nachdenken, wie Sie sich und Ihr Unternehmen präsentieren wollen. Für künftige Mitarbeiter ist entscheidend, wie sie in Ihrem Haus aufgenommen werden.

IMG_2311Betriebsklima: Die Freundlichkeit von Pförtner, Putzfrau und über den Flur gehenden Kollegen entscheidet ebenso, ob sich jemand für Ihr Unternehmen entscheidet, wie das Gespräch selbst. Betriebsklima zeigt sich auch in Streitereien in der Teeküche oder Arroganz gegenüber Fremden.

Atmosphäre: Was können Sie also tun, damit sich Bewerber bei Ihnen richtig wohlfühlen?

Störungen: Sind Ihnen Telefonate und Unterschrifts-Mappen wichtiger als der Mensch, der vor Ihnen sitzt? Schließen Sie Unterbrechungen bitte von vornherein aus.

Sitzordnung: Reihen Sie sich bitte nicht zu fünft wie Richter und Beisitzer im Gericht vor ihren Bewerbern auf. Sorgen Sie für eine kleine Runde und dafür, dass sich nicht alle frontal gegenüber sitzen.

Gesprächskultur: Ihre eigene Kommunikation entscheidet darüber, ob der Bewerber den Umgang als wertschätzend, respektvoll und zugewandt empfindet. Unterbrechen Sie nicht, reden Sie nicht in Phrasen.

Benimm/ Knigge: Dazu muss ich hoffentlich nichts schreiben…

Zahlen aus: Jetter, Wolfgang: Effiziente Personalauswahl, Schäffer Poeschel Verlag 2008

Sind Sie schon in eine dieser Fallen getappt?

Haben Sie in den letzten zwei Jahren die Art, wie Sie Einstellungsgespräche führen, geändert?

Mal angenommen, Sie behandeln Ihre Bewerber wie jemanden, mit dem Sie das erste Date haben – was ändert sich dann?

Petra-Alexandra Buhl

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