Buch-Rezension: New Work – Wie wir morgen tun, was wir heute wollen

„Was ist eigentlich dieses New Work?“ werde ich häufig gefragt. Der Begriff wird für alles Mögliche benutzt – seien es flexible Arbeitszeitmodelle, Home Office, Remote Work, mehr Mitbestimmung in Unternehmen, „Augenhöhe“ oder neue Organisationsformen. Wirklich fix definiert ist der Begriff nicht. Er bietet Raum für viele individuelle Interpretationen.

Isabelle Kürschner schildert in ihrem lesenswerten Buch „New Work – Wie wir morgen tun, was wir heute wollen“ zentrale Themen der Veränderungen in der Arbeitswelt. Sie stellt dar, was sich durch Globalisierung, kürzere Innovationszyklen, demografischen Wandel, Digitalisierung, den Wertewandel u.v.m. verändert hat. Ihr Anliegen ist, zu zeigen, dass jeder Mensch seine Arbeits-Biographie selbst gestalten muss, um vom Wandel zu profitieren.

Der Wandel macht vor niemandem und vor keiner Branche Halt. Widerstand sei zwecklos, schreibt Isabelle Kürschner: „Je mehr wir uns über die Zukunft informieren, desto besser können wir uns auf sie vorbereiten. (…) Desto größer sind auch die Chancen, in Zukunft zu den heiß begehrten Fachkräften zu gehören.“ Nach wie vor ist das Wissen um New Work in den meisten Organisationen nicht angekommen, geschweige denn umgesetzt.

Fertige Modell-Lösungen dafür, wie die einzelnen New Work-Ideen umgesetzt werden können, liefert Isabelle Kürschner nicht. Sie stellt aber die wichtigsten Themen zur Debatte und fordert den Einzelnen auf, sich selbst damit auseinanderzusetzen. Einige Kurz-Interviews mit Führungskräften zeigen, wie Unternehmen in die praktische Umsetzung gehen.

Spannende Leit-Themen:

Arbeit als Sinnstifter: Warum arbeiten Sie eigentlich?

Wer die weit verbreitete Unzufriedenheit von Vorgesetzten und Mitarbeitern in Deutschland kennt, wird sich diese unbequeme Frage stellen müssen. In Seminaren, Vorträgen und Coachings höre ich Klagen über „unmögliche“ Kollegen, Arbeitsbedingungen, Aufgaben usw.

Wenn ich frage „Warum tun Sie sich das trotzdem noch an?“ herrscht meist Schweigen. Meckern ist das Eine. Die Energie und den Mut für eine Veränderung aufzubringen, das Andere. In aller Regel sind Geld, Sicherheit und Status die Argumente gegen eine Veränderung. Den Sinn ihrer Arbeit können nur diejenigen benennen, die reflektiert haben, welchen konkreten Beitrag sie in der Welt leisten möchten.

Was aber ist „gute Arbeit“?

In Zukunft wird das jeder und jede für sich selbst beantworten müssen. Isabelle Kürschner stellt dar, dass der Arbeitsmarkt künftig nicht mehr aus Vollzeit-Stellen bestehen wird. Nachfrage und Angebot von Arbeit und Arbeitskraft werden neu organisiert. „Gute Arbeit“ muss jeder selbst gestalten.

Feste Arbeitsplätze, wie sie im 20. Jahrhundert entstanden, wird es nicht mehr geben. Die vierte industrielle Revolution, die wir seit 2010 erleben, wird die physische und virtuelle Welt immer mehr miteinander vernetzen. Im „Internet of Things“ agieren Produktionssysteme autonom miteinander, die Industrie wird sich neu ausrichten. Individualisierung und Flexibilität werden Massenproduktion und Automatisierung ablösen.

Der Roboter und ich

Heißt das, dass Menschen in der Wirtschaft obsolet werden, weil Roboter sie ersetzen? Nein. Die Arbeit für und mit Menschen wird sogar wichtiger, sagen uns die Forscher. Allerdings braucht es exzellente Fähigkeiten, um mithalten zu können. Stichwort „Beschäftigungsfähigkeit“: Seit Jahren mahnen die Agentur für Arbeit und Arbeitgeberverbände die Deutschen, in der persönlichen Weiterentwicklung einen Fokus darauf zu legen, sich ständig weiter zu bilden. Das hat auch mit Selbstverantwortung zu tun.

Die Realität sieht leider anders aus: 2016 habe ich kein Verständnis mehr für Menschen, die seit mehr als 20 Jahren im Berufsleben stehen, aber immer noch keine gängige Textverarbeitung beherrschen. Da ist schon seit langem etwas schief gelaufen. Die innere Haltung, Neues anzunehmen, zu lernen, neue Erfahrungen zu suchen und sich auf neue Arbeitsmittel und -techniken einzulassen, gehört zur Beschäftigungsfähigkeit unbedingt dazu.

Es empfiehlt sich deshalb, spätestens jetzt diese drei Fragen zu überlegen, die Isabelle Kürschner in ihrem Buch stellt:

  • Welche Veränderungen und Fortschritte werden mein Arbeitsleben am stärksten beeinflussen und was bedeutet das für mich konkret?
  • Welche bahnbrechenden Ereignisse könnten sich auf mich und mein persönliches Umfeld besonders stark auswirken?
  • Was kann ich tun, um mich so gut wie möglich auf diese Veränderungen vorzubereiten?

(Anmerkung: Meines Erachtens wäre an dieser Stelle ein Zitat- oder Literatur-Hinweis im Buch nötig. Die Fragen wurden fast wortgleich im 2011 erschienenen „Job Future – Future Jobs“ von Lynda Gratton gestellt.)

Bildung von gestern für die Jobs von morgen?

Es geht nicht nur darum, dass Kinder und Jugendliche in deutschen Schulen mit veralteten Büchern und Lehrplänen ausgebildet werden. Lehrer argumentieren gerne, dass trotzdem Grundtugenden wie analytisches und strukturiertes Denken oder Arbeitsorganisation gelehrt werden. Das genügt aber nicht. Moderne Lehrmittel sind unerlässlich, wenn es darum geht, passende Qualifikationen für den Arbeitsmarkt von morgen zu erwerben.

Auch das Wissen vieler Erwachsener ist nicht mehr aktuell. Bildungsabschlüsse verlieren massiv an Wert, weil sich das Wissen in immer kürzeren Zyklen erneuert. Ich wünsche mir, dass möglichst viele der Beschäftigten jenseits der 40 Jahre Kürschners Buch lesen und sich intensiv mit der Frage beschäftigen, was sie dem Arbeitsmarkt von morgen bieten können und wollen.

Wer 20 Jahre in ein und demselben Unternehmen verbracht hat, ist meiner Erfahrung nach häufig extrem eingefahren in seinem Denken und wenig bereit, sein Verhalten oder seine Arbeitsweise zu verändern. Positive Einzel-Beispiele reichen nicht, um das zu widerlegen.

Baby-Boomer und Generation X-Vertreter sollten das Buch auch deshalb lesen, um ihre Phantasie für neue Arbeitsmodelle und Bedingungen anzuregen. Viele verfolgen alte, eindimensionale Karriere-Modelle, weil sie sich mit den Alternativen zu wenig beschäftigt haben. Auch hier gilt: Selbst zu handeln, bevor man von den sich rasant ändernden Umständen dazu gezwungen wird.

Das immer gleiche wirtschaftliche Umfeld fördert Aufgeschlossenheit und innovatives Denken ebenfalls nicht. Ich habe 17 Jahre in Sachsen gelebt und die vielfältigen Transformations-Prozesse dort hautnah mitbekommen. Ich weiß, wie schwer es ist, Veränderungen umzusetzen. Bequemlichkeit, Trägheit und Selbstzufriedenheit sind aber schlechte Ratgeber für die Zukunft.

Die Arbeitskultur ist laut Isabelle Kürschner generell zu diskutieren: „In unseren traditionellen Arbeitsabläufen gibt es für viele Beschäftigte keinerlei Anreize, effizient und zügig zu arbeiten, denn selbst derjenige, der weniger ratscht und fleißiger arbeitet, muss, wenn er seine Aufgaben erledigt hat, die Zeit bis zum Feierabend absitzen.“ Und so lange das so ist, werden sich New Work-Konzepte auch nicht etablieren können.

Isabelle Kürschner verschweigt die Schattenseiten dieser Entwicklungen keineswegs, fordert aber dazu auf, sich damit auseinanderzusetzen und – wann immer möglich – in Chancen umzuwandeln. Dass die meisten Menschen Angst vor dieser großen Freiheit haben, ist kein Geheimnis.

Ich bin nicht so pessimistisch wie viele andere, die glauben, es werde 100 Jahre dauern, bis die erträumte New Work-Welt verwirklicht ist. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich in den Köpfen von Mitarbeitern, Vorgesetzten und Unternehmenslenkern noch viel bewegen muss, damit aus dieser Utopie gelebte Realität wird. „Allen guten Beispielen, Studien und internationalen Trends zum Trotz – Deutschland bleibt ein Land von Zweiflern, wenn es um die Flexibilisierung der Arbeitswelt geht“, schreibt Isabelle Kürschner.

Eine Schlüssel-Rolle nehmen die Führungskräfte von heute ein. Sie bestimmen darüber, ob und inwieweit sich die Arbeitswelt ändern darf. Ich denke, dass die mittlere Führungsebene ganz abgeschafft werden und durch starke Selbstorganisation der Mitarbeiter ersetzt wird. Die Führung von morgen wird Mitarbeiter stärker befähigen, mehr Wert auf die Arbeitsbeziehungen legen und auch ohne dauernden Sichtkontakt funktionieren – aber eher auf der Bereichsleiterebene, weniger in den Sandwich-Positionen im Mittelfeld.

Freiheit ist die neue Sicherheit

Arbeitszeit und Arbeitsort werden sich auflösen, soziale Kompetenzen werden wichtiger denn je: Kommunikation und Interaktion bestimmen über gute Arbeitsbeziehungen.

Isabelle Kürschner identifiziert folgende Erfolgsfaktoren:

  • die Bereitschaft, sich zu verändern
  • Beschäftigungsfähigkeit durch Reflexion
  • Persönlichkeitsentwicklung hin zum professionellen Problemlöser
  • Anpassungsfähigkeit und Flexibilität
  • Selbstverantwortung
  • die Fähigkeit, eigene Ziele formulieren
  • Ergebnisorientiertes Arbeiten

Insgesamt eine grundlegende Einführung in das Thema New Work und ein guter Start in die persönliche Beschäftigung mit dem Thema. Das Buch richtet sich aus meiner Sicht eher an Einzelpersonen, als an Unternehmen. Personaler werden trotzdem gut daran tun, es zu lesen. Dann können sie sich besser auf die Wünsche und Erwartungen von Arbeitnehmern einstellen.


Bild 2Isabelle Kürschner: New Work – Wie wir morgen tun, was wir heute wollen, Goldegg Verlag

Ergänzende Informationen dazu finden Sie in meinem Blogbeitrag „Gut zu wissen: Wie sich unser privates und berufliches Leben bis 2050 verändert”. Hier ist der Rahmen weiter gefasst und bezieht schwindende Energieressourcen, Migration und demografischen Wandel mit ein – auch diese Punkte haben Einfluss auf Ihre persönliche Lebensgestaltung.

https://buhl-coaching.de/author/2015/09/02/gut-zu-wissen-wie-sich-unser-privates-und-berufliches-leben-bis-2050-veraendert/

Petra-Alexandra Buhl

* Das Rezensionsexemplar stellte der Goldegg Verlag freundlicherweise zur Verfügung.

2 Gedanken zu „Buch-Rezension: New Work – Wie wir morgen tun, was wir heute wollen

  1. hört sich interessant an bin der Meinung schon länger wir sollten Arbeiten weil es uns Spaß macht und wir uns weiter entwickeln dürfen und nicht weil wir arbeiten müssen um zu leben und die Familie durch den Monat bringen müssen dadurch machen wir uns zum Sklaven der Arbeit.

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