Glossar zur Resilienz
Hier finden Sie alphabetisch sortiert die wichtigsten Begriffe rund um Resilienz und Resilienz-Forschung bzw. Stichworte, die ich in diesem Zusammenhang wichtig und nützlich finde. Das Glossar wird im Laufe der Zeit erweitert und ergänzt. Anregungen sind stets willkommen.
Ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis dürfen die Texte aus dem Glossar für andere Zwecke vervielfältigt oder verändert werden – unabhängig davon, auf welche Art und Weise oder mit welchen Mitteln das geschieht (elektronisch oder mechanisch). Geschieht dies trotzdem, behalte ich mir vor, Ihnen eine Rechnung zu schicken oder gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten.
Ambiguitätstoleranz
Das Aushalten von Unsicherheit ist aus meiner Sicht eine der größten Herausforderungen für die nächsten Jahre. Soziale Strukturen haben sich verändert, in Wirtschaft, Technologie und Gesellschaft stehen Umwälzungen bevor, die wir kaum abschätzen können. Alles findet in einem atemberaubenden Tempo statt. Um Unsicherheit aushalten, Kräfte für Neues und für Veränderung mobilisieren zu können, brauchen wir „Ambiguitätstoleranz“. Entwickelt hat dieses Konzept die Psychologin Else Frenkel-Brunswik 1949. Demnach können Menschen mit einer hohen Ambiguitätstoleranz offene Fragen, Vieldeutigkeit und Widersprüche gut aushalten. Menschen, denen dies fehlt, neigen zum Schwarz-Weiß-Denken. Sie sind schnell zu verunsichern und brauchen sofort Antworten auf ungelöste Fragen und Probleme. Sie neigen dazu, vorschnell Entscheidungen zu treffen, um Unsicherheit zu vermeiden. Es gibt Experten, die Ambiguitätstoleranz als veränderlichen kognitiven Prozess sehen. Wir können also lernen, Unsicherheit und Komplexität besser auszuhalten.
Akzeptanz
Akzeptanz heißt hinnehmen, einwilligen, einverstanden sein. Die Fähigkeit oder Bereitschaft, den unvermeidlichen Teil des Leides im menschlichen Leben hinzunehmen, ist ein wichtiger Schritt hin zu einem resilienten Leben. Akzeptanz zu erreichen ist oft ein schwieriger und langwieriger Prozess, für manche ein lebenslanges Ringen. Besondere seelische Herausforderungen sind:
- Die Akzeptanz einer Behinderung
- Einschränkungen nach Krankheit oder Unfall
- Ungewollte Kinderlosigkeit
- Der Prozess des Alterns
- Die Akzeptanz von Fusionen in Unternehmen und eigene Degradierung
- Unheilbare Krankheit von Kindern, Partnern oder nahen Angehörigen und Freunden
- Die Beendigung einer Ehe durch den Partner
- Die Vorbereitung auf eigenes Sterben und den Tod, der eigene Tod sind große seelische Herausforderungen für uns.
Akzeptanz zu erreichen kann ein langer Prozess sein. Hilfreich sind dabei Distanzierungsübungen, das Aufgeben von Kontroll-Überzeugungen oder die Neubesinnung auf lebensbestimmende Werte, die trotz allen ungewünschten Veränderungen oder des eigenen nahen Endes noch gelten und gelebt werden können.
Beziehung
Beziehungen zu anderen Menschen sind im Zusammenhang mit Resilienz wichtige Ressourcen und Schutzfaktoren in einem. Dazu gehören intime Verbindungen, aber auch bedeutsame Begegnungen ausserhalb von Familie und Partnerschaft, gute Beziehungen zu Erziehern, Lehrern, Mentoren, Trainern, Kollegen und Vorgesetzten. Menschen haben gemäß der Bindungstheorie (siehe z.Bsp. Kinderpsychiater John Bowlby) ein angeborenes Bedürfnis, enge und intensive Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen. Resiliente Menschen verfügen über gute, wertschätzende Verbindungen, die sie in schwierigen Lebenssituationen tragen können.
Coaching (siehe auch Supervision)
Coaching ist bei mir vor allem die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs- / Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen / Organisationen. In aller Regel geht es dabei um individuelle oder kollektive Lern- und Leistungsprozesse in primär beruflicher Anliegen, die ich gerne unterstütze.
Als ergebnis- und lösungsorientierte Beratungsform dient Coaching dazu, die berufliche Situation und das Gestalten von Rollen unter anspruchsvollen Bedingungen zu verbessern. Zugleich wird die wertschöpfende und zukunftsgerichtete Entwicklung des Unternehmens / der Organisation gefördert.
Inhaltlich ist Coaching eine Kombination aus individueller Unterstützung zur Bewältigung verschiedener Anliegen und persönlicher Beratung. In einer solchen Beratung wird der Klient angeregt, eigene Lösungen zu entwickeln. Als Coach ermögliche ich das Erkennen von Problemursachen und begleite die zur Lösung des Problems führenden Prozesse. Der Klient lernt so im Idealfall, seine Probleme eigenständig zu lösen, sein Verhalten / seine Einstellungen weiterzuentwickeln und effektive Ergebnisse zu erreichen. Das gilt übrigens auch für Frauen. Ein grundsätzliches Merkmal des professionellen Coachings ist, die Selbstreflexion und Eigenwahrnehmung zu fördern. Damit gelingt eine Verhaltensveränderung und die Möglichkeiten des Klienten bzgl. Wahrnehmung, Erleben und Verhalten erweitern sich.
Ist Coaching Psychotherapie?
Im Gegensatz zur Psychotherapie, richtet sich Coaching an „gesunde“ Personen und widmet sich vorwiegend den Problemen, die aus der Berufsrolle heraus entstehen und ohne entsprechendes Fachwissen des Coaches nicht bearbeitet werden können. Psychische Erkrankungen, Abhängigkeitserkrankungen oder andere Beeinträchtigungen der Selbststeuerungsfähigkeit gehören ausschließlich in das Aufgabenfeld von Psychotherapeuten, Ärzten und medizinischen Einrichtungen.
Ist Coaching Beratung?
Der Coach kann keinen Fachberater (z.B. IT-Berater, Arbeitsmediziner, Rechtsanwalt usw.) ersetzen. Dennoch wird der Coach häufig als fachlicher Ansprechpartner bei bestimmten Anliegen gesehen und um Ratschlag oder eine Stellungnahme gebeten. Sofern dies für den Beratungsprozess sinnvoll ist,bringe ich meine Führungs-Expertise und meine Erfahrungen in der praktischen Organisationsentwicklung ein.
Ist Coaching Training?
Training dient dem gezielten Aufbau bestimmter Verhaltensweisen, d.h. es steht meist das Erlernen eines „idealen“ Ablaufmusters im Vordergrund. Den Schwerpunkt bilden Trainingsinhalte z.B. bei meinen Moderationstrainings, Kommunikationstrainings. Als Maßnahme im Coaching setze ich Trainingselemente ein, wenn dies vom Klienten ausdrücklich gewünscht wird – beispielsweise um Verhaltensdefizite in der Kommunikation mit Mitarbeitern zu korrigieren. Das Coaching bietet dann den Anlass und den Rahmen, spezielle Fertigkeiten aufzubauen bzw. zu verbessern.
Coping
Coping (von engl. „to cope with“ = bewältigen, überwinden) bedeutet Bewältigungsstrategie und beschreibt, wie Menschen mit belastenden Lebensumständen und schwerwiegenden Ereignissen wie Krisen, tödlich verlaufenden oder chronischen Krankheiten, plötzlichen Verlusten oder mit dem Scheitern umgehen. Unterschieden werden adaptive und maladaptive Coping-Strategien. Mitunter werden sie auch als funktionale oder dysfunktionale Strategien bezeichnet.
- Adaptive Coping-Strategien tragen zu einer nachhaltigen, tragfähigen und langfristigen Lösung eines Problems bei oder helfen, bereits chronifizierte Probleme gut zu bewältigen.
- Maladaptive Coping-Strategien bestehen dagegen aus Ablenkungs- und Vermeidungsstrategien, verschlimmern oder vermeiden das Problem.
In Psychotherapie, Coaching und Beratung lernen und üben Klienten neue Coping-Strategien, damit sie künftig mit schwierigen Lebenssituationen oder Belastungen besser umgehen können und selbstständig konstruktive Lösungen finden.
Disziplin
Disziplin (von lat. „disciplina“ = Lehre, Zucht, Schule) im Sinne von Selbstdisziplin, Selbstbeherrschung und bewusster Selbstregulierung ist ein wichtiger Baustein, um eigene Resilienz zu fördern und definierte Ziele zu erreichen. Ohne Selbstkontrolle gibt es keinen Erfolg. Experimente dazu wurden seit den 1960er Jahren von Walter Mischel durchgeführt und sind als „Marshmallow-Tests“ bekannt geworden. Dabei bekamen vierjährige Kinder diese Süßigkeiten in Aussicht gestellt, sofern sie auf den Versuchsleiter warten könnten, der sie nur kurz verlassen würde, um im Nebenraum etwas zu holen. Falls sie es nicht aushielten, dürften sie läuten. Dann käme der Versuchsleiter sofort zurück und sie erhielten ein Marshmallow. Falls sie aber warten könnten, bis der Versuchsleiter von alleine zurückkäme (nach etwa einer Viertelstunde), erhielten sie als Belohnung die doppelte Menge, zwei Marshmallows. Die Versuche wurden aufgezeichnet und daraufhin ausgewertet, wie lange die Kinder ihre Bedürfnisbefriedigung hinausschieben konnten. 2011 wurde in Studien festgestellt, dass diese Fähigkeit ein verlässlicher Indikator für späteren akademischen Erfolg und eine Reihe von positiven Persönlichkeitseigenschaften war.
Empathie
Die Fähigkeit, wahrzunehmen, was in einem anderen vorgeht sowie die innere Bereitschaft, dessen Gedanken, Motive und Gefühle zu erkennen und zu verstehen, bedeutet Empathie. Ihre Grundlage ist die Selbstwahrnehmung. Je offener eine Person für eigene Gefühle ist, desto besser kann sie die Gefühle anderer deuten und darauf eingehen. Menschen verfügen über Spiegelneuronen. Das sind Nervenzellen, die im Gehirn beim passiven Betrachten eines Vorgangs die gleichen Aktivitätsmuster aufweisen, als wenn der Vorgang selbst aktiv ausgeführt würde. So werden wir in der Gegenwart von depressiven Menschen beispielsweise oft selbst traurig und niedergeschlagen. Oder wir lachen zurück, wenn uns ein Kind anlächelt. Wer sich empathisch in seine Mitmenschen versetzen kann, führt bessere Beziehungen und kann Konflikte besser lösen.
Emergenz
Beschreibt das Phänomen, dass Elemente, die zusammenwirken, auf verschiedenen Ebenen unerwartete und neue Eigenschaften aufweisen. Muster, Prozesse und Strukturen können zum Beispiel emergente Phänomene sein. In Organisationen können emergente Phänomene durch Hierarchie und command and control-Strukturen verhindert oder gedämpft werden. Gute Führungskräfte sollten Emergenz entstehen lassen und befördern, indem sie ihrem Team den Freiraum für Selbstorganisation geben.
Flexibilität
Der lateinische Wortstamm „flectere = biegen, beugen“ zeigt bildhaft Flexibilität als Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umstände. Flexibel reagieren zu können gilt als eine der wünschenswertesten Wirkungen von Resilienz – insbesondere in Organisationen und Unternehmen, wenn Veränderungen bevorstehen. Wer sich gut an veränderte Gegebenheiten oder Anforderungen anpassen kann, wenig festgefahren ist in seinem Verhalten und seinen Bewertungsmustern, gilt als resilient. Der Vorteil ist, dass Sie auch in schnell wechselnden Umständen über einen erweiterten Aktions- und Handlungsraum verfügen. Flexible Unternehmen sind bspw. als dynamische Systeme in der Lage, proaktiv selbstständig zu handeln und zu gestalten, nicht einfach zu reagieren. In Veränderungsprozessen bringt das große Handlungsspielräume und hohe Handlungsgeschwindigkeiten mit sich – im Unterschied zu wenig resilienten Organisationen, die starr an alten Markt- und Umweltbedingungen festhalten.
Gelassenheit
Haben Sie die Fähigkeit, inmitten aller Höhen und Tiefen im Leben Ruhe zu bewahren, sich bei Hektik und Stress nicht aus der Fassung bringen zu lassen, sondern gleichmütig und gelassen zu reagieren? Dann sind Sie im besten Sinne ein gelassener Mensch. Das Wort Gelassenheit stammt vom mittelhochdeutschen Wort „gelāʒenheit“ im Sinne von „Gottergebenheit“ ab. Gelassenheit kann nur aus einer Haltung der Akzeptanz heraus entstehen – sie gilt als ein wichtiger Baustein der Resilienz.
Handlungsfähigkeit
Handlungsfähigkeit ist ein Grundbedürfnis von Menschen. Sie wollen meist über ihre Lebensverhältnisse bestimmen und aktiv gestalten. In Stress-Situationen und bei großem Leid schlägt dies um: Manche Menschen werden von ihrem Leid überwältigt und erstarren, fühlen sich von der Fülle ihrer Probleme gelähmt. Wieder andere ziehen sich zurück, möchten gerne „erlöst“ werden und suchen jemanden, der ihnen ihre Probleme abnimmt. Resilienz bedeutet, sich aus solchen Situationen aktiv heraus zu navigieren und neue Handlungsoptionen zu entwickeln. Voraussetzung ist die eigene geglückte Selbstreflexion: Wenn wir uns selbst besser kennen, wissen wir, was uns in Krisen, Schwierigkeiten oder Konflikten hilft.
Improvisation
Wer auf ungeplante Herausforderungen und Schwierigkeiten unvorbereitet und aus dem Stegreif reagieren kann, improvisiert und findet kreative Lösungen. Mir gefällt der von Claude Levì-Strauss geprägte Begriff „Wildes Denken“: Er bezog ihn auf naturnah lebende Kulturen und beschrieb ihr improvisierendes Vorgehen als „Bastelei“ („Bricolage“): „Nehmen und verknüpfen, was da ist“. Bricolage hat Tradition in Jugendkulturen, die Techniken oder Gegenstände in neue Kontexte stellen und deren ursprüngliche Bedeutung oft aufheben. Punks verwenden beispielsweise Sicherheitsnadeln als Ohrschmuck, Hip-Hopper tragen massive Goldkettchen. „Wildes Denken“ verbindet eigene sinnliche Wahrnehmung mit Bildern, Geschichten, Erinnerungen und zurückliegenden Erfahrungen in phantasievoller Kombination. In der Resilienzförderung bedeutet es, von vorgefertigten Lösungen Abschied zu nehmen, offen und unvoreingenommen auf die Dinge zu schauen, sie neu zu arrangieren.
Jahresringe
Jahresringe in Baumscheiben sind für mich ein Symbol für „seelischen Speck für Notzeiten“ und für persönliches Wachstum: In schlechten Jahren bleiben sie dünn und zeigen Dürre und Mangel an Nährstoffen. In guten Jahren legt der Baum kräftig zu. Für Experten sind Jahresringe wie eine Baum-Biografie zu lesen. Bei Menschen sind solche Jahresringe zwar nicht sichtbar, doch inneres Wachstum stelle ich mir ähnlich vor: In guten Zeiten wächst „der seelische Speck für Notzeiten“, dann müssen wir mit weniger auskommen. Jahresringe erinnern daran, gelassen zu bleiben. Bäume wachsen langsam, aber stetig. Wenn wir akzeptieren, dass es in unserem Leben ebenso wie in der Natur Zeiten der Fülle und des Mangels gibt, können wir besser hinnehmen, wenn wir kraftlos sind oder scheinbar nicht vorwärts kommen. In Wirklichkeit kommen wir doch voran, nur eben zu langsam für unseren Geschmack.
Kreativität
Creare bedeutet im Lateinischen soviel wie „etwas neu schöpfen, etwas erfinden, etwas erzeugen, herstellen“, aber auch „auswählen“. Der Begriff enthält als weitere lateinische Wurzel “crescere”, das “geschehen und wachsen” bedeutet. Zwei Pole verbindet die Kreativität somit:
- Das passive Geschehen-Lassen, die Inkubationszeit und die Geduld, die Wachstum braucht.
- Das aktive Tun – sei es in Form von künstlerischer Tätigkeit oder in Form einer kreativen Herangehensweise an das Leben.
Nur lebende Systeme sind kreativ. Menschen profitieren auch hier von der Plastizität des Gehirns, das sich ständig an gemachte Erfahrungen anpasst und wandelt. Laut Kreativitätsforscher Mihaly Csikszentmihalyi existieren viele Übergänge von alltäglicher und außergewöhnlicher Kreativität. Beide entwickeln sich in einem Zusammenspiel von Begabungen, Wissen, Können, intrinsischer Motivation, Persönlichkeitseigenschaften und unterstützender Umgebung. Die schöpferische Spannung, die eine Voraussetzung für Kreativität ist, ist für viele schwer auszuhalten. Der Prozess des Experimentierens, Suchens, Verwerfens braucht viel Geduld. Nötig ist immer wieder ein Perspektivenwechsel und die Lust daran, Grenzen und Widerstände zu überwinden. Das nötige Sitzfleisch, um dran zu bleiben, bringt uns zurück zur Disziplin: Keine Kunst ohne Disziplin. Kein kreatives Werk ohne Spannung, Selbstkontrolle und den Willen, eine Idee auch zu Ende zu entwickeln.
Leistungsfähigkeit
Allgemein wird zwischen körperlicher und psychischer Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit unterschieden. Doch in jedem Fall bezeichnet sie die Voraussetzungen, die nötig sind, um eine Leistung dauerhaft stabil zu erbringen. Wer belastbar ist, zeigt laut Psychologie die physischen und psychischen Ressourcen, die eine Person mobilisieren kann, um auf Stressoren zu reagieren. Die Fähigkeit, die vorhandenen Ressourcen auch zu erschließen und zu nutzen, nennt man Resilienz. Die Belastbarkeit zeigt, inwieweit jemand widerstandsfähig und robust ist. Das muss eine andere Person nicht unbedingt genauso beurteilen. Belastbarkeit bezeichnet eher die Bereitschaft, sich außergewöhnlichen Beanspruchungen auszusetzen und sie nicht zu vermeiden. Zudem hängt es auch von der betroffenen Person ab, inwieweit sie sich als belastbar einschätzt.
Mentale Modelle
Wir alle konstruieren unsere Wirklichkeit und entwickeln mentale Modelle davon, wie die Welt ist oder wie einzelne Menschen angeblich sind. Solche mentalen Modelle sind vereinfachte Abbilder der Welt, z. Bsp. “alle Männer sind schlecht” oder “Frauen können nicht Auto fahren”. Auf Organisationsebene sind mentale Modelle interne Abbildungen der Außenwelt oder der Zustand der eigenen Firma “wir sind Marktführer seit 1851 und wissen, wie es in unserer Branche läuft”. Implizite und explizite Modelle beschreiben die momentane Situation, erstrebenswerte Zukunftsziele oder die Vorgehensweise zu einem bestimmten Ziel. Fehlt die Reflexion über mentale Modelle, besteht die Gefahr, dass aktuelle Situation falsch eingeschätzt und kontraproduktiv gehandelt wird. Je stärker die Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft, desto wichtiger ist die Reflexion der eigenen mentalen Modelle. Übrigens: Mentale Modelle sind ein Grundpfeiler von Peter Senge´s Werk zur Lernenden Organisation “Die fünfte Disziplin”. Veraltete Modelle zu “ver-lernen” und bisherige Annahmen in Frage zu stellen, gehört zu den schwierigen Lern- und Veränderungsprozessen.
Muster
Menschliches Verhalten scheint unbegrenzte Möglichkeiten zu haben. Jeder Mensch ist ein besonderes Individuum, unverwechselbar. Trotzdem gibt es Ähnlichkeiten, die dafür gesorgt haben, dass neun psychologische Grundmuster beschrieben wurden. Zum Teil werden sie durch angeborene Neigungen bestimmt, zum Teil werden sie durch das nähere Umfeld oder auch durch verschiedene Lebensbedingungen geprägt. Jedem Muster liegen bestimmte Abwehrmechanismen zugrunde. Werden sie zu stark ausgeprägt, entwickeln Menschen so genannte Persönlichkeitsstörungen. Bleiben Menschen flexibel in ihrem Gebrauch, gelten sie im alltagspraktischen Sinn als gesund. Zurzeit unterscheidet die Psychiatrie folgende Muster, die durch entsprechende Tests nachgewiesen werde können:
- Abhängige Muster
- Borderline-Muster
- Depressive Muster
- Hysterische Muster
- Narzisstische Muster
- Paranoide Muster
- Schizoide Muster
- Vermeidende Muster
- Zwanghafte Muster
Nichtstun
Nichtstun hat leider einen schlechten Ruf. Müßiggang wird mit unproduktiver Passivität gleichgesetzt und sogar stigmatisiert. Während unsere Vorfahren noch Ruhepausen oder Zeiten mit geringerer Belastung kannten aufgrund der Jahreszeiten oder Produktionsbedingungen, sind unsere Arbeitstage in der Regel profitorientiert und durchorganisiert. Stillstand oder auch nur Zeiten der Mittelmäßigkeit haben in einer kennzahlengetriebenen Wirtschaft keinen Platz. Die (zumeist hohe psychische) Arbeitsbelastung wechselt kaum noch mit Erholungszeiten ab. Selbst in der Freizeit organisieren sich die meisten Menschen einen Termin nach dem anderen und versäumen, sich nötige Ruhe- und Regenerationsphasen zu nehmen, um Kraft und Leistungsfähigkeit zu erhalten. Ein Wechsel zwischen Spannung und Entspannung, Belastung und Entlastung ist für Menschen jedoch lebenswichtig. Stresserkrankungen können nur dort gedeihen, wo diese Balance vollkommen aus der Kontrolle geraten ist.
Optimismus
Optimismus (von lat. optimum, „das Beste“) ist eine Grundhaltung, mit der die Welt betrachtet wird – ausgehend von einer heiter-zuversichtlichen, positiven Erwartung, dass sich die Dinge zum Guten wenden werden. Ich beziehe mich in der Resilienzförderung am Liebsten auf das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung, das der kanadische Psychologe Albert Bandura in den 1970er Jahren entwickelt hat: Demnach sind Menschen wirksamer, wenn sie glauben, dass sie Herausforderungen, Schwierigkeiten und Krisen meistern können, weil sie die erforderlichen Kompetenzen dafür haben, in ähnlichen Situationen erfolgreich waren. Der starke Glaube daran, man bleibe in schwierigen Situationen handlungsfähig und könne Einfluss auf das Geschehen nehmen, ist die so genannte Kontrollüberzeugung. Sie macht Handeln nicht von anderen Menschen, vom Zufall oder vom Glück abhängig, sondern von eigener Kompetenz und Erfahrung. Menschen mit einer starken Selbstwirksamkeitserwartung haben oft eine größere Ausdauer in der Überwindung von Herausforderungen und eine geringere Anfälligkeit für psychische Krankheiten. Sie genesen außerdem schneller.
Positive Psychologie
Mit seinen Forschungen zur „erlernten Hilflosigkeit“ wurde der US-Psychologe Martin Seligman in den 1960er Jahren bekannt. Die Forschungsrichtung Positive Psychologie hat sich zum Ziel gesetzt, weniger auf Defizite und Schwächen zu blicken, sondern vielmehr auf das, was Menschen glücklich macht, stärkt und ihnen zu einem besseren Leben verhilft. Das bei manchen Vertretern ausgeprägt zwanghafte Positive Denken wird von vielen akademischen Psychologen kritisiert. Einzelne Ansätze sind jedoch beachtenswert, zum Beispiel die Frage, wie positive Beziehungen und konstruktive Kommunikation gelingen oder was Menschen „aufblühen“ und nach einem lebenswerten, gelingenden Leben streben lässt.
Quality Time
Hand aufs Herz: Wie viel Zeit investieren Sie in Ihre persönlichen Beziehungen? Ich spreche von „Quality Time“ – also „Qualitätszeit“ – wertvoller Zeit, die Sie gemeinsam mit anderen bewusst und aufmerksam verbringen. Das bedeutet nicht, dass Sie ausserhalb der Quality Time nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen oder feste Zeitblöcke in Ihren persönlichen Kalender dafür eintragen. Ein paar Tipps für mehr Quality Time:
- Machen Sie gewöhnliche Zeit zur Quality Time, so oft es geht.
- Hören Sie jemand anders zu, ohne schon die Antwort auf die Frage im Kopf zu formulieren.
- Erzählen Sie Ihren Kindern auf dem Weg in den Kindergarten, was Sie gerade beschäftigt oder was Sie geträumt haben.
- Genießen Sie ein Familien-Abendessen ohne auf die Uhr zu schauen und schon an morgen zu denken.
- Seien Sie präsent und achtsam.
Tappen Sie aber nicht in die Falle, auch Quality Time unter Effizienz-Kriterien zu packen, in der Hoffnung, dass Sie mit einer Stunde die Versäumnisse des vorigen Monats aufarbeiten können. Beziehungen zu anderen Menschen brauchen beständige Pflege.
Risikokompetenz
Risikokompetenz ist die Fähigkeit, ein Risiko von einer Gefahr abzugrenzen, die Situation richtig einzuschätzen und dann eigen- und sozialverantwortlich zu handeln. Im 21. Jahrhundert wird die Bewältigung von Krisen und Herausforderungen überlebenswichtig werden. Es geht nicht nur darum, resilienter zu werden. Menschen müssen auch ihre Risikokompetenz überprüfen und entwickeln, um mit ihrem Leben fertig zu werden. Sie müssen lernen, mit weniger auszukommen und kreative, neue Lösungen für Probleme zu finden. Der deutsche Psychologe Gerd Gigerenzer hat geschrieben: „Das 21. Jahrhundert wird uns mit Krisen überraschen, deren Umfang wir uns heute nicht vorstellen können. Um mit den Risiken und Chancen der modernen Welt umzugehen, brauchen wir mehr als Investitionen in Geräte, Tests und Bürokratien. Wir brauchen mündige Bürger, die informierte Entscheidung treffen können.“ Laut Gigerenzer leben wir in einer „risikoinkompetenten Gesellschaft“, dabei wäre Risikointelligenz eine Grundvoraussetzung, um sich in der modernen technologischen Welt zurechtzufinden. Er meint damit die „Fähigkeit, auch mit Situationen umzugehen, in denen nicht alle Risiken bekannt sind und berechnet werden können“. Weder können wir selbst alle Risiken einschätzen, die auf uns zukommen, noch können es Ärzte, Finanzberater, Versicherungsangestellte. „Sie haben keine Wahl, Sie müssen selber denken“, so Gigerenzer. Folgende drei Komponenten der Risikokompetenz haben sich bewährt:
- Wahrnehmungskompetenz – Gefahren wahrnehmen und sehen
- Beurteilungskompetenz – Gefahren prüfen und einschätzen
- Entscheidungskompetenz – Gefahren beurteilen und eigenes Verhalten ändern
Salutogenese
Salutogenese (von lat. salus ‚Gesundheit‘, ‚Wohlbefinden‘ und „genese“ = Herkunft, Entstehung) ist die Lehre von der Entstehung der Gesundheit. Der israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky prägte in den 1980er Jahren das Salutogenese-Modell in Abgrenzung zur Pathogenese. Gesundheit ist demnach kein Zustand, sondern ein Prozess. Bei jedem Menschen finden wir solange er lebt gesunde und kranke Aspekte, selbst bei Sterbenskranken findet man gesunde Anteile. Antonovsky betonte, Gesundheit sei ein mehrdimensionales Geschehen und hänge stark von den sozialen und kulturellen Kontexten ab, mit denen jemand verbunden ist. Antonovsky entdeckte in einer Forschungsstudie mit Frauen 1970, dass viele KZ-Überlebende trotz unvorstellbarer Qualen und extremer Unterversorgung als überwiegend körperlich und psychisch gesund beurteilt wurden. Daraufhin erforschte er, welche Eigenschaften und Ressourcen diesen Frauen geholfen hatten, ihre Gesundheit zu erhalten.
Einige Ergebnisse:
- Alle Menschen verfügen über so genannte generalisierte Widerstandsressourcen. Sie unterstützen uns in Stresssituationen, um Stresssymptome zu regulieren.
- Alle generalisierten Widerstandsressourcen erteilen den Stressfaktoren in unserem Leben eine „Bedeutung“.
- Zentraler Gedanke der Salutogenese ist der Sense of Coherence (SOC), den man als „Sinn für Kohärenz“ oder „Kohärenzgefühl“ bezeichnen kann.
- Das Kohärenzgefühl beschreibt kurz gesagt unser Vertrauen in die Welt und die Sinnhaftigkeit dessen, was uns darin geschieht: Alles, was in unserem Leben geschieht, kann demnach strukturiert und erklärbar gemacht werden. Unsere Ressourcen reichen aus, um die Anforderungen zu erfüllen, die an uns gestellt werden. Das Kohärenzgefühl vermittelt uns überdies die Gewissheit, dass sich alle Anstrengungen lohnen werden, die gegenwärtige Situation zu überwinden.
- Das Kohärenzgefühl wird von drei Komponenten gebildet:
1.) der Verstehbarkeit
2.) der Handhabbarkeit oder Bewältigbarkeit
3.) dem Gefühl von Bedeutsamkeit bzw. Sinnhaftigkeit.
Selbstorganisation
Sie ist das Gegenteil von Fremdbestimmung oder Fremdorganisation. Systeme wie Organisationen werden von inneren und äußeren Ereignissen angestoßen, ihre Ordnung wird dadurch verändert. Innere Dynamiken entstehen im System selbst. So ist zum Beispiel ein Kreisverkehr ein Beispiel eines selbstorganisierten Prozesses: Ohne jede Ampelanlage oder Eingreifen der Polizei läuft der Verkehr von selbst. Auch wenn es von außen so aussehen mag, dass in selbstorganisierten Systemen “Chaos” herrscht, gibt es doch bestimmte Ordnungsmuster. Organisationen können diese nicht vorhersagen oder bewusst erzeugen. Führungskräfte können aber dafür sorgen, dass es ein passendes Verhältnis zwischen Steuerung und Selbstorganisation gibt. Dadurch entstehen Synergieeffekte und Mitarbeiter können viel effizienter arbeiten.
Stress
Unter hohem Druck oder großer Anspannung reagieren wir mit körperlichen, emotionalen, psychischen Reaktionen und ändern unser Verhalten. So neutral klingt Stress erst einmal neutral und wir können entscheiden, wie wir Situationen bewerten. Ist es eine höhere Anforderung oder Stress? Und wenn ja, ist es positiver, anregender oder negativer, lähmender Stress für uns? Was können wir konkret tun, um die Stressbelastung zu senken – sofern wir das wollen? Wir leben in den westlichen Gesellschaften in einer Welt, in der Stress als Statussymbol gilt. Ursprünglich von der Natur so gedacht, unserem Körper unter Bedrohung schnellstmöglich Energie zu liefern, hat sich unser evolutionäres Erbe inzwischen gegen uns gewandt: Unsere Aktivierung ist generell hoch. Wir schaffen es auch in der Freizeit kaum, abzuschalten und zu entspannen. Der Boom der Wellness- und Fitness-Industrie zeugt von dem großen Bemühen, Entlastung zu finden.
Supervision – Definition nach DGSv (Deutsche Gesellschaft für Supervision)
Supervision ist ein wissenschaftlich fundiertes und praxisorientiertes Konzept für personen- und organisationsbezogene Beratungstätigkeiten in der Arbeitswelt.
Anwendungsbeispiele:
- Führungskräfte bedenken und planen ihr Handeln mit supervisorischer Begleitung.
Teams reflektieren ihre Arbeit mit Kund/innen oder Klient/innen.
- Teams entwickeln ihre Kommunikation und ihre Arbeitsbeziehungen, um die Erfüllung ihrer Aufgaben zu verbessern.
- Interdisziplinäre Gruppen erörtern anspruchsvolle Aufgabenstellungen im Hinblick auf ihre kommunikativen und organisatorischen Anforderungen.
- Fach- und Führungskräfte reflektieren und planen ihren Berufsweg, ihren Berufseinstieg oder ihre Neuorientierung.
Organisationen und Unternehmen lassen ihren Entwicklungsprozess begleiten. Alle setzen dabei auf den Rat und die Unterstützung von Supervisor/ innen, die mit einer anspruchsvollen Qualifikation, einer spezifischen Perspektive und einer wertschätzenden Haltung die Fragestellungen ihrer Kund/ innen und Klient/ innen aufnehmen und bearbeiten.
Die Perspektive von Supervisor/innen ist gekennzeichnet durch die Kunst der Verbindung von Einzelperspektiven zu einem umfassenden Blick auf das zu erörternde Thema.
Die Haltung von Supervisor/innen ist gekennzeichnet durch Ergebnisoffenheit, kritische Loyalität und das Interesse an einer nachhaltigen Verbesserung von Arbeit, Arbeitsbedingungen und Arbeitsergebnissen.
Traumatisches Wachstum
Häufig wachsen Menschen durch traumatisierende Erfahrungen. Sie schildern später, die Überwindung dieser schwerwiegenden Ereignisse lasse sie ihr Leben mehr schätzen und habe ihre Sicht auf das Leben sowie ihre Prioritäten sehr verändert. Den Begriff „posttraumatisches Wachstum“ (engl. posttraumatic growth) haben die US-Psychologen Richard G. Tedeschi und Lawrence G. Calhoun geprägt. Sie haben fünf Faktoren bestimmt, die für posttraumatisches Wachstum stehen:
- Neben einer intensiveren Wertschätzung des Lebens sind es bessere persönliche Beziehungen.
- Traumatisierte Menschen empfinden mehr Mitgefühl mit anderen und überwinden ihr Leiden oft durch ein verstärktes Engagement für Not leidende Menschen.
- Ein besseres Gefühl für die eigenen Stärken und die Chancen im Leben geht mit der höheren Bewusstheit über die eigene Verletzlichkeit einher.
- Häufig erleben Menschen nach Traumata auch eine Intensivierung ihrer Spiritualität, eine besondere Reife und Weisheit.
Unverwundbarkeit
Resilienz ist weder einfach zu verstehen noch schnell zu erklären. Viele Menschen behelfen sich daher mit Metaphern. Sehr beliebt sind das „Stehauf-Männchen“ und die so genanten „Unverwundbaren“. Resiliente Menschen sollen damit als unverletzbar beschrieben werden. Demnach wirft sie gar nichts aus der Bahn, sie sind immer fröhlich und gut drauf, können Alles „wegstecken“ und das Schicksal stets besiegen. Egal, was ihnen widerfährt: Sie stehen wieder auf. Dem ist aber nicht so, die Forschung hat das widerlegt: Auch Menschen mit hoher Resilienz geraten in schwere Lebenskrisen oder werden von Ereignissen so überwältigt, dass sie traumatisiert zurückbleiben. Allerdings gelingt es ihnen besser, ihre Schicksalsschläge zu verarbeiten und sie erholen sich schneller.
Vertrauen
Man könnte es mit „Glaube, Liebe, Hoffnung“ umschreiben: Vertrauen brauchen wir in unsicheren Situationen oder wenn der Ausgang einer Sache nicht klar ist. Wir vertrauen und glauben an das Gute, Wahre, Zuversichtliche in anderen Personen, in Gott oder in den Umständen, oft auch in die Welt generell. Wer vertraut, ist verletzbar und begibt sich in die Hand eines anderen oder einer höheren Macht. Damit geht er zugleich ein Risiko ein und muss darauf hoffen, dass der andere die eigene Lage nicht ausnutzt. Soziale Beziehungen sind ohne Vertrauen nicht denkbar. Je misstrauischer Menschen miteinander umgehen, desto schwieriger werden die Beziehungen untereinander. Niklas Luhmann geht deshalb soweit, „Vertrauen als Mechanismus der Reduktion von Komplexität“ zu nutzen. Wer anderen vertraut, vereinfacht soziale Interaktionen.
Vulnerabilität
Das Gegenteil von Unverwundbarkeit ist Vulnerabilität (von lateinisch „vulnus“= Wunde bzw. „vulnerare“ = verwunden). Sie bezeichnet den Grad der „Verwundbarkeit“ oder „Verletzbarkeit“ eines Menschen, der meist schon in frühem Kindesalter festgelegt ist. Überdies erlebt jeder Menschen in seinem Leben Entwicklungsphasen, in denen er besonders vulnerabel ist, zum Beispiel die Pubertät oder das Alter.
VUKA-Welt
Seit dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 hat sich das ehemalige Zwei-Fronten-System aus dem Kalten Krieg zu einem Viel-Fronten-System entwickelt. Analytiker am US Army War College in Carlisle/Pennsylvania haben daraufhin eine neue Doktrin erschaffen, um die komplexere Weltordnung abzubilden: Die VUKA-Welt, engl. VUCA, ist durch folgende Kennzeichen bestimmt:
V= Volatilität bezieht sich auf die zunehmende Häufigkeit, Geschwindigkeit und das Ausmaß von (meist ungeplanten) Veränderungen
U = Unsicherheit bedeutet das generell abnehmende Maß an Vorhersagbarkeit von Ereignissen in unserem privaten und beruflichen Leben
K = Komplexität bezieht sich auf die steigende Anzahl von unterschiedlichen Verknüpfungen und Abhängigkeiten, welche viele Themen in unserem Leben undurchschaubar machen
A = Ambiguität beschreibt die Mehrdeutigkeit der Faktenlage, die falsche Interpretationen und Entscheidungen wahrscheinlicher macht
Nach dem 11. September 2001 wurde die Wortschöpfung „VUKA-Welt“ populäre. Seither wird sie nicht nur für Strategie und Kriegsführung genutzt, sondern auch für die Entwicklungen in der globalisierten Wirtschaft. Der Begriff bildet die vielen Unwägbarkeiten der Globalisierung sehr gut ab.
Widerstandsfähigkeit
Sie ist quasi ein Synonym für Resilienz und überschneidet sich in einigen Feldern mit der Salutogenese. Hier möchte ich für Widerstandsfähigkeit den Begriff „Hardiness“ einführen, den die US-Psychologin Suzanne C. Kobasa 1979 dafür geprägt hat. Laut Kobasa umschreibt „Hardiness“ drei Haltungen:
- Commitment – Engagement und Selbstverpflichtung: Commitment beschreibt die Identifizierung mit Allem, was eine Person tut oder was ihr in ihrem Leben begegnet. Es ist engagiertes Verhalten, das Gegenteil von passiver Vermeidung. Menschen, die commitment zeigen, sind hoch motiviert, etwas zu tun – beispielsweise Patienten, die aktiv an der Therapie und Heilung mitwirken, um ihre Krankheit zu beseitigen.
- Control – Kontrolle: Der Begriff steht für die so genannte Kontrollüberzeugung, dass Menschen Einfluss auf Ereignisse in ihrem Leben nehmen können. Sie erleben sich dann nicht als fremdbestimmt, sondern als aktiv Handelnder. Damit wird die Gefahr geringer, von schwerwiegenden Ereignissen überwältigt zu werden. Sie verfügen über verschiedene Möglichkeiten der Reaktion und können aktiv entscheiden, wie sie sich angesichts großer Herausforderungen und Schwierigkeiten verhalten.
- Challenge – Herausforderung: Veränderungen können als überwältigende Bedrohung erlebt oder als positive Chance wahrgenommen werden. Wer sich für Letzteres entscheidet, akzeptiert die Wechselfälle des Lebens schneller und sieht Möglichkeiten für persönliche Entwicklung. Anstatt sich von Krisen oder Problemen lähmen zu lassen, übernehmen Menschen mit ausgeprägter „Hardiness“ die Kontrolle über ihre Gedanken, Handlungen und Entscheidungen.
Theorie X und Y
Menschenbild formt Gedanken und Haltungen: Der US-Psychologe Douglas McGregor hat 1960 eine Unterscheidung zweier grundlegender Menschenbilder getroffen, die er in Theorie X und Theorie Y aufgeteilt hat. Seine Beobachtungen stützte er auf die Frage „Was glauben Sie, was Menschen motiviert?“
- Theorie X zufolge sind Menschen extrinsisch motiviert und brauchen äußere Anreize zur Motivation und zur Veränderung
- Theorie Y gemäß sind Menschen intrinsisch motiviert und wollen von sich aus etwas erreichen
McGregor zufolge erwerben Menschen im Laufe ihres Lebens X-Verhalten, wenn sie durch ihr Umfeld darin bestärkt werden – etwa durch Geld, Status, Regeln und Vorschriften. Menschen reagieren dann fremdgesteuert und geben Verantwortung ab. Demgegenüber verhalten sich Y-Menschen selbstverantwortlich und suchen Herausforderungen, um ihr höchstmögliches Potenzial zu entfalten. Sie suchen und finden Möglichkeiten, über sich selbst hinauszuwachsen, Sinn in ihrem Leben und in ihren Tätigkeiten zu finden. Sie wollen einen Beitrag leisten und andere unterstützen, das macht sie zu resilienten Menschen.
Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)
Dieses psychoedukative Selbstmanagement-Training wurde von Maja Storch und Frank Krause in den 1990er-Jahren für die Universität Zürich entwickelt. Ausgehend von Erkenntnissen aus der Psychoanalyse, der Motivationspsychologie und der Neurowissenschaft hatte es zunächst das Ziel, angehenden Lehrkräften eine Sammlung von Selbstmanagement-Methoden an die Hand zu geben. Anwendungsfelder waren zum Beispiel die Burnout-Prophylaxe und die Psychohygiene. Das Training soll Menschen systematisch auf der intellektuellen/kognitiv, emotionalen/emotiv und körperlichen/physiologisch Ebene ansprechen und einen Zugang zu den eigenen (Lebens-)Themen bieten. Die Aktivierung eigener Ressourcen, das Entwickeln von Zielen und Fähigkeiten erlangen, die zielorientiertes Handeln ermöglichen, stehen im Vordergrund.